Ringvorlesung Wintersemester 2016/2017
Wahrnehmungen der Antike
Archäologinnen und Archäologen konstruieren Bilder der Antike aufgrund der Interpretation materieller Reste. Während die hermeneutischen Regeln schon lange einen Platz in den Theoriediskursen haben, wird den wahrnehmungstheoretischen Aspekten dieser Bedeutungszuschreibungen kaum Beachtung geschenkt.
Auffällig ist dabei, dass insbesondere Bildträger, aber auch andere Artefakte wie zum Beispiel Gebäude(reste), vorrangig als visuelle Gegenstände behandelt werden. Dabei wird regelmäßig außer Acht gelassen, dass Wahrnehmung ein multisensorischer Prozess ist: so ist die Wahrnehmung scheinbar rein visueller Medien wie Vasenbilder eng mit anderen Sinneswahrnehmungen, etwa der Raumwahrnehmung und sensomotorischem Wissen verknüpft oder ist etwa ein vollständiges Bild des antiken Theaters nicht ohne die akustische Dimension zu denken.
Die Frage nach der Wahrnehmung stellt sich um so dringender, wenn die antiken Reste nicht bloß Gegenstände der Interpretation durch heutige Forschende, sondern ihrerseits in der Antike schon Medien von Kommunikationsprozessen gewesen sind. Will man den seinerzeit vermittelten Botschaften näher kommen, sind nicht nur die relevanten Codes, sondern auch die Wahrnehmungsweisen antiker Rezipientinnen und Rezipienten zu ermitteln. Wahrnehmung kann dabei nicht als universale Kategorie verstanden werden, sondern zeigt sich als hochgradig kulturell determiniert, wie das Beispiel des räumlichen Sehens und die Entwicklungsgeschichte der Zentralperspektive zeigen.
Die Ringvorlesung „Wahrnehmungen der Antike“ möchte sich daher aus verschiedenen Blickwinkeln unter anderem damit auseinandersetzen, wie die materiellen Reste der Antike als Gegenstände (multisensorischer) Wahrnehmung analysiert werden können, welche – gegebenenfalls neuen – Bedeutungszuschreibungen sich hieraus ergeben, wie die Differenz zwischen den Wahrnehmungspraktiken und -erwartungen von gegenwärtigen und antiken Rezipientinnen und Rezipienten überbrückt werden kann, wie antike sensescapes beschrieben werden können, welche Zusammenhänge zwischen spezifischen soziokulturellen oder räumlichen Kontexten und Wahrnehmungsformen bestehen oder in welcher Weise bestimmte sinnliche Adressierungen in Kommunikationsprozessen eingesetzt wurden.
Mittwochs, 18–20 Uhr, Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West, Raum 121
19.10.2016
Zwischen „Aufnahme" und "Wiedergabe" – Arthur Evans und der „Palast von Knossos“
Sebastian Adlung, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
26.10.2016
„…als ob sie überall eine ummauerte Stadt mit sich trügen“ – Heere und Heroen als antike Kulturschaffende
Dominik Kloss, M.A., Fachbereich Geschichte, Arbeitsbereich Alte Geschichte, Universität Hamburg
02.11.2016
Der Warren Cup – Zur unterschiedlichen Wahrnehmung von Sexdarstellungen in ihren zeitlichen Kontexten
Piet Haase. M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
09.11.2016
Die Leleger in Westkleinasien. Wahrnehmung einer antiken Ethnie
Mareke Ubben, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
16.11.2016
Von der Wahrnehmung zum Bild. Fremdwahrnehmung und Darstellung des Fremden in römischen Mosaiken
Lilian Schönheit, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
30.11.2016
Theater – theatron – Schauplatz. Der Einfluss des Sehens und anderer Aspekte auf die Wahrnehmung des antiken Theaters damals und heute
Katharina Slupina, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
07.12.2016
Gewaltige Bilder und das Begehren nach Affizierung
Jacobus Bracker, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
14.12.2016
Wo ist Penelope? Zum Sehen geometrischer Vasenbilder
Michael Antonakis, M. A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
21.12.2016
Die Schale des Sosias − Wahrnehmungen im Wandel
Veronika Straub, M. A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
11.01.2017
Wahrnehmungsstrategien in der hellenistischen Skulptur. Rezeptionsästhetische Überlegungen zur Konstruktion sozialer Wirklichkeit
Lukas Rathjen, Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
18.01.2017
Text – Bild – Befund. Wahrnehmungen von Häfen und Hafenanlagen im antiken Mittelmeerraum
Aylin Güngör, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
25.01.2017
Erinnerung durch Wahrnehmung. Ritualdarstellungen auf attischer Keramik als Rückblende
Lioba Tempel, M.A., Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
01.02.2017
Abschlussdiskussion
Moderation: Doktorandinnen und Doktoranden der Klassischen Archäologie, Universität Hamburg
Koordination
Prof. Dr. Martina Seifert / Sebastian Adlung, M. A., beide Institut für Klassische Archäologie, Universität Hamburg
Das gesamte Vortragsprogramm finde Sie hier als PDF.